segunda-feira, 12 de maio de 2008

Comentário: como indiquei no curso, temos abaixo uma parte do livro escrito por Fichte sobre Maquiavel. Trata-se de um guia seguro para seguir as sendas do Florentino. Quem tiver a paciência de ler, saberá a causa desta afirmação.
Roberto Romano


Johann Gottlieb Fichte

Über Machiavelli

I. Einleitung

Intellektueller und moralischer Charakter des Schriftstellers Machiavelli


Machiavelli ruht ganz auf dem wirklichen Leben, und dem Bilde desselben, der Machiavelli ruht ganz auf dem wirklichen Leben, und dem Bilde desselben, der Geschichte, und Alles, was der feinste, umfassendste Verstand, und praktische Lebens- und Regierungsweisheit in die Geschichte hinein zu legen, und eben darum wieder aus ihr heraus zu entwickeln vermag, leistet er mustermäßig, und, wie wir zu glauben geneigt sind, vorzüglich vor den anderen neueren Schriftstellern seiner Art. Ganz aber außerhalb seines Gesichtskreises liegen die höheren Ansichten des menschlichen Lebens und des Staats, aus dem Standpunkte der Vernunft; und dem, was er sich als Ideal denkt, ist er so abgeneigt, dass er (Kap.15. des Fürsten) sagt: »Obwohl schon so viele vor ihm über das Betragen, welches ein Fürst gegen seine Untertanen und Freunde annehmen solle, Regeln gegeben, so wage er es dennoch auch nach ihnen über diesen Gegenstand zu schreiben, indem er hierin ganz anderen Grundsätzen folge, denn jene. Es scheine ihm nämlich zuträglicher, sich an die wirkliche Beschaffenheit der Dinge zu halten, als an die eingebildete. Man habe so viele Republiken und Fürstentümer sich ausgedacht, die man doch niemals in der Wirklichkeit gesehen, und das: Wie man lebe, liege so weit entfernt von dem: Wie man leben solle, dass, so Jemand für das was geschehen solle, liegen lasse das was geschehe, er seinen Lehrling vielmehr lehren würde sich zu Grunde zu richten, als sich zu erhalten; indem ein Mann, der in allen Umständen gut sein wollte, unter der Menge derer, die nicht gut sind, notwendig zu Grunde gehen müsste.«
Sehr freundlich löset sich hinterher einige Verworrenheit, die in dieser Stelle ist, und es verschwindet die Anstößigkeit besonders der Äußerung, mit welcher die Stelle schließt, wenn man sieht, dass Machiavelli’s Moral nicht etwa eine einzige, in sich selber geschlossene und zusammenstimmende Tugendhaftigkeit, sondern dass sie einzelne Tugenden zu Dutzenden habe, von denen er freilich mit Recht klagt, dass sie weder unter einander, noch mit der Bestimmung eines Regenten zusammenstimmen wollten. Sind die eingebildeten Musterstaaten, die er tadelt, Verschmelzungen solcher Disparaten, so ist sein Tadel sehr gerecht. Er zeigt hinterher von mehreren dieser seiner Tugenden, z.B. von der unbegrenzten und unbesonnenen Freigebigkeit, von der Clemenz, oder bestimmter, von der weichen Empfindelei, die sich nicht entschließen kann, an dem Verbrecher die verwirkte Strafe zu vollziehen, dass dieselben mit einem tüchtigen Fürsten nicht zusammenstimmen, und zwar sehr richtig, auch nach unserer Meinung, indem es ja vielmehr Laster sind.
So benennt er wiederum das was wirkliche Tugenden sind, eine weise Sparsamkeit, eine Strenge, die unerbittlich über die Ausübung des Gesetzes hält u.s.w., nach der Volkssprache, mit den Namen von Lastern, denen der Kargheit, der Grausamkeit u.s.w. Diese Beschränktheit der Einsichten des Mannes in die Moral, und die daher entstehende Beschränktheit seiner Sprache, worin er übrigens nur die Schuld seines Zeitalters teilte, keineswegs aber selbst sie verwirkt hatte, muss man vor allen Dingen begriffen haben, um den Mann zu verstehen, um ihm Gerechtigkeit widerfahren lassen zu können: keineswegs aber | muss man ihn richten nach Begriffen, die er nicht hat, und nach einer Sprache, die er nicht redet. Das Allerverkehrteste aber ist, wenn man ihn beurteilt, als ob er ein transzendentales Staatsrecht hätte schreiben wollen, und ihn, Jahrhunderte nach seinem Tode, in eine Schule zwingt, in welche zu gehen er gleichwohl im Leben keine Gelegenheit hatte.
Sein Buch vom Fürsten insbesondere sollte ein Not- und Hilfsbuch sein für jeden Fürsten in jeder Lage, in der sich einer befinden könnte, und er legt, besonders von der Beschaffenheit seines Vaterlandes und seines Zeitalters geleitet, den Plan umfassend genug an. Die eigene Herzensangelegenheit, welche bei der Abfassung desselben ihn leitete, war der Wunsch, einige Festigkeit und Dauer in das in unaufhörlichem Schwanken sich befindende Staatenverhältnis von Italien zu bringen. Als die erste Pflicht des Fürsten steht demnach da die Selbsterhaltung; als die höchste und einzige Tugend desselben, die Konsequenz. Er sagt nicht: sei ein Usurpator, oder, bemächtige dich durch Bubenstücke des Regiments; vielmehr empfiehlt er in Absicht des Ersteren, dass man vorher wohl bedenke, ob man es auch werde durchführen können, und von dem Letzten spricht er nie empfehlend. Wohl aber sagt er: bist du denn nun einmal ein Usurpator, oder bist du nun einmal durch Bubenstücke zum Regiment gekommen, so ist es doch immer besser, dass wir dich, den wir nun einmal haben, behalten, als dass ein neuer über dich kommender Usurpator oder Bube, neue Unruhen oder Bubenstücke anrichte; man muss daher wünschen, dass du dich behauptest, aber du kannst dich nur auf die und die Weise behaupten. Es wird auch in Beziehung auf diese Beratung Jeder ihm die Gerechtigkeit widerfahren lassen müssen, dass er immer noch die sanftesten Mittel, und diejenigen, bei denen das gemeine Wesen noch am Besten bestehen kann, in Vorschlag bringt. In diesem Zusammenhange wird man hoffentlich weniger zurückschrecken, wenn man hört, dass Macchiavelli z.B. den Cesar Borgia als Muster aufstellt. Wegen seiner Grausamkeit hatte er ihn schon aus der Reihe der Vortrefflichsten ausgestrichen; worin er ihn aber als Muster empfiehlt, dass er in einer völlig verwilderten Provinz in kurzer Zeit Ruhe, Ordnung und öffentliche Sicherheit eingeführt, dass er sich der Untertanen angenommen u.s.w., das ist in der Trat lobenswürdig, um so mehr, da es höchst selten war in jenem Zeitalter.
Besonders dieses, das Zeitalter unsers Schriftstellers, lasse man bei der Beurteilung desselben nie aus den Augen. Er erzählt z.B., nicht gerade mit besonderem Ausdrucke der Missbilligung, wie Cesar Borgia mehrere mächtige Baronen, unter ihnen Oliverotto, Tyrannen von Fermo, in die Falle gelockt, und sie treulos ermordet habe. Dieses Oliverotto Geschichte, wie er durch verräterische Ermordung seines Onkels, der den früh Verwaisten väterlich bei sich aufgenommen und erzogen hatte, und aller der ersten Bürger von Fermo, sich der Oberherrschaft bemächtigt, kann man bei Macchiavelli selbst nachlesen; die übrigen von Borgia Verratenen waren nicht besser; und überhaupt beruhte die Fortbewegung der damaligen Geschichte Italiens darauf, dass irgend ein neuer Bösewicht kam, der alten gereiften Bösewichtern den Lohn gab, bis auch er reif wurde, und bei einem anderen ihm gleichen Bösewichte auch seine Strafe fand. Die Weise aber, wie sie vom Cesar sich berücken lassen, fasst Macchiavelli in folgende merkwürdige Worte: »Er überredete sie, dass er wolle, dass ihnen gehören solle, was er erworben habe, und dass er mit dem bloßen Titel des Fürsten sich begnügen, das Fürstentum selbst aber an sie abtreten wolle.« Ist es ein Wunder, wenn Macchiavelli, nach welchem wohl die Dummheit auch ein Laster sein mochte, und der ohne Zweifel glaubte, wenn man ein großer Bösewicht sei, so müsse man wenigstens nicht noch dazu ein großer Dummkopf sein, nicht sehr geneigt war, die Berückten zu beklagen, oder auf ihren Unterdrücker zu zürnen?
Jene Konsequenz nun, und jene gründliche Besonnenheit, die er den Fürsten im Leben anmutet, und noch überdies, was er jenen nicht anmutet, treue Wahrheitsliebe und Ehrlichkeit, sind selbst die Grundzüge des Schriftstellers Machiavelli. Was da folgt, das sagt er, und sieht sich nach allen Seiten um, was da noch folge, und sagt es Alles; besorgt einzig um die Richtigkeit seiner Schlüsse, und durchaus keine andere Rücksicht kennend: als ob niemals Jemand etwas dagegen gehabt habe, und nie Einer etwas dagegen haben werde, dass man, was einmal wahr ist, auch sage. Oft verweilt er gerade bei den paradoxesten Sätzen mit Etwas, das man in gutem Sinne kindliche Naivität nennen möchte, auf dass man doch ja einsehen möge, wie er es meine, und dass er es wirklich also meine*).
Wie daher auch Jemand über den Inhalt der Schriften Machiavelli’s denken möge, so werden sie immer in ihrer Form, durch diesen sicheren, klaren, verständigen und wohlgeordneten Gang des Raisonnements, und durch einen Reichtum an witzigen Wendungen, eine sehr anziehende Lektüre bleiben. Wer aber Sinn hat für die in einem Werke ohne Willen des Verfassers, sich abspiegelnde sittliche Natur desselben, der wird nicht ohne Liebe und Achtung, zugleich auch nicht ohne Bedauern, dass diesem herrlichen Geiste nicht ein erfreulicherer Schauplatz für seine Beobachtungen zu Teil wurde, von ihm hinweggehen.

*) Ganz besonders gilt die letzte Bemerkung von seinem Buche vom Fürsten. Es war daher ein sehr unglücklicher Einfall des Vorredners zur florentinischen Ausgabe von 1782, dass es mit diesem Buche Machiavelli nicht Ernst gewesen sei, dass es eine Satire sei - wie es denn auch noch zum Überflusse durch die Diskurse über den Livius widerlegt sei. Dass einem solchen Vorredner Machiavelli’s Fürst unbegreiflich blieb, ist kein Wunder; aber dass derselbe den Ton der treuen Ehrlichkeit in diesem Werke hätte erkennen, zugleich auch begreifen sollen, welchen perfiden Charakter er seinem Schützlinge beilege, durch die Annahme, dass er mit diesem Tone den Lorenzo nur habe persiflieren wollen, wäre ihm doch gleichwohl anzumuten gewesen.

Über Machiavelli’s Republikanismus und Monarchismus


Im Mittelalter nannte eine Stadt sich frei, und Republik, nachdem sie von dem Reiche, das in der Entfernung nie schützte, aber dennoch zuweilen lästig wurde, sich losgerissen hatte. So sind die Republiken in Italien und die in Helvetien, welche letzteren durch ihren Bund einige Vorteile vor den ersten hatten, wiewohl derselbe auch innerliche Kriege herbeiführte, entstanden. Der ganze Erfolg dieser Befreiungen lief in der Regel darauf hinaus, dass man, anstatt ein Glied der großen Anarchie zu bleiben, sich eine Anarchie eigens für sich selbst einrichtete, und die Streiche, die man haben sollte, sich von nun an mit eigenen Händen erteilte. Dass solche kleine Republiken zwar für vorübergehende Zwecke in dem großen Weltplane gute Dienste leisten können, dass sie aber, wenn sie auch nach Erreichung dieser Zwecke selbstständig bleiben und etwas für sich bedeuten wollen, der Absicht des gesellschaftlichen Vereins, und dem Fortschritte des Menschengeschlechts im Großen und Ganzen widersprechen, und dass sie, wenn dieser Fortschritt erfolgt, notwendig zu Grunde gehen müssen, ist hier nicht der Ort zu erweisen. Wie es insbesondere in der florentinischen Republik ausgesehen, davon ist Machiavelli selbst in seiner florentinischen Geschichte der unverwerflichste Zeuge.
Da man jedoch noch bis auf diesen Tag sieht, dass solche, die in dergleichen Republiken aufgewachsen, und die sich von Kindheit an gewöhnt haben, sich für frei zu halten, darum weil sie keinen Fürsten haben, uns Andere aber als Diener der Fürsten betrachten, selbst durch Reisen und Aufenthalt in monarchisch regierten Ländern, durch Studium der Geschichte und der Philosophie nur mit Schwierigkeit dahin gebracht werden, das Vorurteil von Republik abzulegen; und da man hieraus schließen muss, dass es selbst dem Weisesten und Verständigsten schwer bleibe, gerade diesen Wahn zu überwinden, so könnte man allerdings vorläufig als möglich annehmen, dass auch dem in diesen Sachen sonst sehr tief sehenden Macchiavelli über diesen Punkt etwas Menschliches begegnet sei.
Uns scheint nun in der Trat, vorzüglich aus dem Ende des dritten Buchs seiner florentinischen Geschichte, und dem Anfange des vierten klar hervorzugehen, dass nicht nur im Allgemeinen es sich also verhalte, sondern, dass er sogar einer gewissen Partei in seiner Republik seine Vorliebe geschenkt, und dass die Parteilichkeit für diese Partei seiner sonstigen Konsequenz Abbruch getan habe. Er gehörte nämlich in seiner Republik zur Partei des vermögenden Mittelstandes, der nobili popolani, wie er sie nennt; er hatte unter dem lebenslänglichen Gonfaloniere, Soderini, in dieser Partei dem Staate gute Dienste geleistet; und nur dies kann die Verwunderung ein wenig herabstimmen, die uns sonst befallen würde, wenn wir von ihm selber die Leben und Taten des Georg Scali, oder Maso und Rinaldo Albizzi (die er übrigens zu seinen Helden erwählt hat) erzählen hören, oder wenn man ihn zwar bekennen sieht, dass diese Partei durch ihren Sieg über die entgegengesetzten Parteien sich zum Übermute habe hinreißen lassen, aber es damit nun auch gut ist, da doch von den anderen beiden Parteien, der des hohen Adels, und der des großen Volkes, sich eben auch nichts Härteres sagen lässt, und er gerade hier vergisst, nach seiner sonstigen Methode, nach einer festen Ordnung der Dinge zu forschen, durch welche der Entstehung dieses Übermutes vorgebeugt worden wäre, und da er, wenn er nach seiner Weise gründlich verfahren wäre, hätte finden müssen, dass Florenz gar keine Republik sein könne, wie er z.B. (Diskurse B.1. K.18.) wo nur von Florenz nicht die Rede ist, findet, dass eine sehr verdorbene Republik nur durch die unumschränkte Gewalt eines Einzigen verbessert werden könne. Florenz aber war, seiner eigenen Geschichte nach, als Staat, über alles Maß verdorben. Auch die dem Pabste Leo vorgeschlagene Reform des Staates, den er doch immer wieder als Republik will, würde dem tief eingewurzelten Übel nicht abgeholfen haben, wie dies aus Macchiavelli selbst leicht zu erweisen sein dürfte. Aus diesem Umstande entsteht es, dass Macchiavelli allenthalben Republiken und Fürstentümer einander gegenüber stellt: - Beide als gleich möglich, nur auf andere Weise zu behandeln.
Nach seiner mit Soderini’s Sturze zugleich erfolgten Absetzung vom Sekretariat, seiner Landesverweisung, den Studien, denen er sich darauf gänzlich ergab, und welche seine Schriften, die wir besitzen, zur Folge hatten, scheint er eingesehen zu haben, dass es nicht mehr um Florenz allein, sondern um ganz Italien zu tun sei, und dass dieses unter die Herrschaft eines Einzigen einheimischen vereinigt werden müsse. Denn so sagt er auch B.1. Kap.12. der Diskurse: »Allein der römische Stuhl ist es, der unser Italien in der Teilung erhält. Nie aber ist ein Land wirklich Eins, und glücklich gewesen, außer nachdem es ganz unter die Oberherrschaft Einer Republik, oder eines Fürsten gekommen ist, wie es mit Frankreich und Spanien geschehen.« Diese einige Oberherrschaft fand in den damaligen Zeitverhältnissen nunmehr Macchiavelli an einem Fürsten, und zwar an Lorenz von Medicis, der auf die Unterstützung des Medizäischen Papstes Leo rechnen könne, und es entstand hieraus sein Buch vom Fürsten, und der rührende Aufruf zur Befreiung Italiens, womit dasselbe schließt.
Über Machiavelli’s Heidentum


Es ist in unsern Tagen von wackern Männern andern wackern Männern in gedruckten Schriften nachgesagt worden, dass sie eben heidnischen Sinnes gewesen seien, keineswegs in der Meinung, ihnen dadurch etwas Böses nachzusagen. Es wird daher auch wohl einem Schriftsteller, der laut und entschieden sich für das Christentum und gegen das Heidentum erklärt hat, und dessen Gerechtigkeit gegen das letztere den Verdacht der Parteilichkeit nicht gegen sich haben kann, erlaubt sein, dieser einmal vorliegenden Sprache sich zu bedienen, indem er genötigt ist, der erhobenen Anklage gegenüber, zuzugestehen, dass er Machiavelli für einen erklärten Heiden halte, eben so wie Päpste und Kardinäle und andere tüchtige Männer jener Zeit dasselbe gewesen seien.
Das mitten im Schoße des Christentums, und in solchen, denen diese Religion angeboten worden, sich erzeugende Heidentum hat die mit noch einer andern verächtlichern Sinnesart gemeinschaftliche Quelle des Beruhens bei der bloß sinnlichen Welt, ohne Gefühl des Übersinnlichen, und so ohne Takt, wie ohne Organ für Metaphysik. Vereinigt sich hiermit ein schwacher und träger Charakter, und ist eben der ganze Geist wirklich von demselben Staube genommen, an den auch allein geglaubt wird, so entsteht die bekannte Plattheit, die in allerlei Exemplaren unserm Zeitalter erschienen ist. Diese zittern doch noch immerfort heimlich vor dem Tempel, an den sie nicht glauben. Ist hingegen der Geist wirklich übersinnlichen Ursprungs, nur dass er seinen Urquell nicht vor das Auge zu bringen vermag, und entsteht, woran es in diesem Falle nicht fehlen kann, ein ehrlicher, gerader und derber Charakter, wirft man sich vielleicht noch überdies in das Studium der alten klassischen Literatur, und wird ergriffen und durchdrungen von dem Geiste derselben, so entsteht jene hohe Ergebung in das durchaus unbekannte Schicksal, jenes feste Beruhen auf sich selber, als das Einzige, worauf man bauen könne, jenes frische Ergreifen des Lebens, so lange es noch da ist, indem wir für die Zukunft auf nichts rechnen können, jene bekannte Prometheische Gesinnung, kurz, das moderne Heidentum. Das Christentum aber wird gehasst, weil sie glauben, dass es durch täuschende Aussichten auf ein anderes Leben seine Anhänger um den Gebrauch und den Genuss des gegenwärtigen bringe, dass es im kecken, kühnen und frischen Leben störe, kurz, weil sie es nicht kennen, noch es zu fassen vermögen, sondern es für einerlei halten mit dem Mönchtum. Da nun das Leben auf alle Fälle mehr Wert hat denn der Tod, und die Geradheit und Derbheit mehr Wert, als die kränkelnde Schwäche, so sind diese allerdings denjenigen, die so beschaffen sind, wie sie meinen, dass das Christentum die Menschen mache, bei weitem vorzuziehen.
Gerade ein solcher war nun Macchiavelli, und auch hieraus lassen sich seine Fehler, so wie seine Tugenden, seine Beschränktheit, so wie seine rücksichtslose Offenheit, vollkommen erklären. Gegen das Christentum, gegen dessen Sucht, die klassischen Denkmäler wo möglich auszurotten, gegen die Ordnung der Dinge, die es auf klassischem Boden herbeigeführt, gerät er zuweilen in wahrhaft erhabenen Eifer. Wem, der seinen Geist in der schönen alten Welt einheimisch gemacht hat, ohne jedoch einzusehen, dass diese Zerstörungen derselben alle nur ein notwendiger Übergang sind zu dem Bessern und Vollkommneren, das aus ihnen erfolgen soll, lässt sich das verdenken? Eben so finden sich in seinen Komödien, und in Castruccio’s Leben, Züge ächt heidnischer Ausgelassenheit und genialischer Gottlosigkeit.
Gegen diesen Vorwurf der Feindschaft gegen das Christentum, so wie er es kannte, muss man darum Machiavelli nicht verteidigen wollen; man muss ihn zugeben, aber man muss ihn gerecht würdigen. Bei dem Allen hat er Sorge getragen, mit allen Sakramenten der Kirche gehörig versehen, aus dem Leben zu scheiden, welches für seine hinterlassenen Kinder sowohl als Schriften, ohne Zweifel sehr gut war.

Große Schreibe- und Pressefreiheit in Machiavelli’s Zeitalter


Es dürfte auf Veranlassung des vorigen Abschnittes, und indem vielleicht einer oder der andere unserer Leser sich wundert, wie dem Macchiavelli das so eben Gemeldete habe hingehen können, der Mühe wert sein, zu Anfange des 19ten Jahrhunderts aus den Ländern, die sich der höchsten Denkfreiheit rühmen, einen Blick zu werfen auf die Schreibe- und Pressefreiheit, die zu Anfange des 16ten Jahrhunderts in Italien und in dem päpstlichen Sitze Rom Statt fand. Ich führe von Tausenden nur zwei Beispiele an. Macchiavelli’s florentinische Geschichte ist auf die Aufforderung des Papstes Clemens VII. geschrieben, und an denselben überschrieben. In derselben befindet sich gleich im ersten Buche folgende Stelle: »So wie bis auf diese Zeit keine Meldung geschehen ist von Nepoten oder Verwandten irgend eines Papstes, so wird von nun an von solchen die Geschichte voll sein, bis wir sodann auch auf die Söhne kommen werden; und so ist denn den künftigen Päpsten keine Steigerung mehr übrig, als dass sie, so wie sie bisher diese ihre Söhne in Fürstentümer einzusetzen gesucht haben, denselben auch den päpstlichen Stuhl erblich hinterlassen.«
Dieser florentinischen Geschichte, nebst dem Buche vom Fürsten, und den Diskursen, stellt derselbe Clemens, honesto Antonii (so hieß der Drucker) desiderio annuere volens, ein Privilegium aus, in welchem allen Christen bei Strafe der Exkommunikation, den päpstlichen Untertanen noch überdies bei Konfiskation der Exemplare und 25 Dukaten Strafe, verboten wird, diese Schriften nachzudrucken.
Derselbe Machiavelli hat eine Komödie geschrieben, Mandragola, welche übrigens ein sehr geistreiches Werk ist. Wir schweigen von der Beziehung dieser Komödie auf die öffentlichen Sitten, und merken nur Folgendes an, was am Nächsten zum Ziele trifft. Eine Hauptrolle hat in diesem Stücke ein Mönch und Beichtiger, der an seiner heiligen Stätte zuerst durch ein verstelltes Vertrauen, und, damit man sich seiner versichere, beredet wird, und sich versteht, bei der Äbtissin zu vermitteln, dass diese einer Geschwängerten einen Abführungstrank eingebe, Alles zu größerer Ehre Gottes, und um dem Nächsten allerlei Ärgernisse zu ersparen, der sodann, als es Ernst wird, eine rechtschaffene und tugendhafte Frau überredet, und es ihr zur Gewissenssache macht, indem sie dadurch Mutter einer seligen Seele werde, einem Anderen, denn ihrem Manne, sich Preis zu geben; der zuletzt, in einer zufolge dieser Intrige Statt findenden Verkleidung eine lächerliche Rolle übernehmen muss. Dieses Stück wurde zu Florenz mit ausnehmendem Beifalle aufgeführt, und kaum hatte Pabst Leo davon gehört, so hatte er nichts Angelegneres, als die Aufführung desselben auch zu Rom zu verordnen.
Zu erklären ist dies allerdings. Die Päpste und die Großen der Kirche betrachteten selber ihr ganzes Wesen lediglich als ein Blendwerk für den niedrigsten Pöbel, und, wenn es sein könnte, für die Ultramontaner, und sie waren liberal genug, jedem feinen und gebildeten italienischen Manne zu erlauben, dass er über diese Dinge eben so dächte, redete und schriebe, wie sie selbst unter sich darüber redeten. Den gebildeten Mann wollten sie nicht betrügen, und der Pöbel las nicht. Eben so leicht ist zu erklären, warum späterhin andere Maasregeln nötig wurden. Die Reformatoren lehrten das deutsche Volk lesen, sie beriefen sich auf solche Schriftsteller, die unter den Augen der Päpste geschrieben hatten, das Beispiel des Lesens wurde ansteckend für die andern Länder, und jetzt wurden die Schriftsteller eine furchtbare, und eben darum unter strengere Aufsicht zu nehmende Macht.
Auch diese Zeiten sind vorüber, und es werden dermalen, zumal in protestantischen Staaten, manche Zweige der Schriftstellerei, z.B. philosophische Aufstellung allgemeiner Grundsätze jeder Art, gewiss nur darum der Zensur unterworfen, weil es bedenklich sein dürfte, eine auf den Gegenstand der Schriften sich gründende Ausnahme von der allgemein eingeführten Zensur zu verstatten, und schwierig, die Grenzen dieser Ausnahme zu bestimmen, und über dieselben zu halten. Da nun bei dergleichen Gegenständen häufig sich findet, dass denen, welche nichts zu sagen wissen, als das was Jedermann auch schon auswendig weiß, in alle Wege erlaubt wird, so viel Papier zu verwenden, als sie irgend wollen; wenn aber einmal wirklich etwas Neues gesagt werden soll, der Zensor, der das nicht sogleich zu fassen vermag, und vermeinend, es könne doch ein nur ihm verborgen bleibendes Gift darin liegen, um ganz sicher zu gehen, es lieber unterdrücken möchte; so wäre es vielleicht manchem Schriftsteller vom Anfange des 19ten Jahrhunderts in protestantischen Ländern nicht zu verdenken, wenn er sich einen schicklichen und bescheidenen Teil von derjenigen Pressfreiheit wünschte, welche die Päpste zu Anfange des 16ten ohne Bedenken allgemein zugestanden haben.
Machiavelli’s Schriften


Amtsberichte während des Sekretariats, Briefe u.dergl. abgerechnet, sind Machiavelli’s Hauptschriften folgende.
Zuvörderst drei Bücher Diskurse über die erste Dekade des Livius, geschrieben, wie früher gesagt, nach seiner Absetzung vom Sekretariate. Sie enthalten seine Lehre, so wie sie in seinen übrigen politischen Schriften auch vorliegt, nur könnte man als ihren Hauptcharakter angeben, vorzügliche Klarheit und Popularität, für welche ihm dadurch, dass er eine bestimmte Begebenheit, oder ein Raisonnement seines Autors zur Stütze hatte, vorgearbeitet war. Zu derselben Zeit hat er auch seine sieben Bücher von der Kriegskunst geschrieben.
Man erlaube mir auf Veranlassung des letztgenannten Werks zu bekennen, dass, obwohl ich von der Kriegskunst nichts verstehe, ich dennoch glaube, dass es der Mühe wert sei, dass ein Mann von tiefen Kenntnissen über das Militärwesen, und der ohne Vorurteil sei, und von Einfluss, dieses Werk noch einmal gründlich studiere, und dass ich dafür halte, dies, falls es geschehen sollte, könne von wichtigen Folgen sein. Zu Machiavelli’s Zeiten war die Infanterie in Italien so wenig geachtet, dass in einer Armee von 20000 Mann es oft kaum 2000 Infanteristen gab. Er zeigt, dass allein die Infanterie den Nerv der Armeen ausmache, mit einleuchtenden Gründen; man ist seitdem allgemein desselben Glaubens geworden, vielleicht nicht ohne Macchiavelli’s Zutun. Aber es ist noch ein zweiter, wichtigerer und für unsere Zeiten entscheidender Punkt in der Machiavelli’schen Kriegskunst. Es ist nämlich, so viel der in der Kunst Uneingeweihte darüber erkunden kann, die allgemeine Meinung unserer Tage, dass im Kriege die Artillerie Alles entscheide, dass dieser nur durch noch besser eingerichtete Artillerie die Wage zu halten, gegen sie selbst aber kein Gegenmittel sei; und in der Trat sind auch die letzten Schlachten, welche Europa in die gegenwärtige traurige Lage gebracht haben, lediglich durch dieses Mittel entschieden worden. Ganz anderer Meinung ist Machiavelli; er glaubt, die Artillerie sei in offener Feldschlacht nur gegen Feige furchtbar, eine brave und zweckmäßig bewaffnete Armee aber bedürfe keiner und könne die des Feindes verachten. Er will alle Schlachten, nach Art der Alten, in ein Gefecht in der Nähe, und in Handgemenge verwandeln, und ist in Absicht der Artillerie für das gerade darauf Losgehen, indem ja, wenn man nur an sie heran sei, sie ohne Rettung verloren gehe. Die von Andern aufgeworfene Frage, ob wohl, wenn die Feinde der Römer ihnen Artillerie entgegen zu setzen gehabt hätten, diese ihre Eroberungen gemacht haben würden, beantwortet er, wie uns vorkommt, sehr plausibel, also: allerdings würden sie es, denn sie wussten sich gegen die weit furchtbareren Elephanten und Sichelwagen, die ihnen entgegengesetzt wurden, zu verteidigen, und diese zu überwinden. Ein Hauptaugenmerk bei Armeen ist ihm die Bewaffnung derselben. So will er, als die eigentliche Stärke der Armeen, wie oben gesagt, Infanterie, und zwar zwei Arten derselben, die er, nach bestimmten Regeln in einander geordnet, in Schlachtordnung stellt; erstens, eine, gerüstet nach Art der alten Römer, vollkommen geharnischt, mit Schild und kurzem römischen Degen, die zweite, nach Art der Neueren, mit Lanzen. Die Bajonette sind ihm unbekannt.
Wenn man erwägt, dass von jeher alle Veränderungen in den Verhältnissen der Völker sich auf die Veränderung der Führung des Krieges, und die der Waffen, gegründet haben, und wenn man sieht, dass in der gegenwärtigen Kriegskunst Alles in die Artillerie gesetzt werde, so leuchtet ein, dass, wenn plötzlich, wie aus der Erde hervorkommend, ein Heer aufträte, für welches die Artillerie vernichtet wäre, dieses fürs Erste schnell und ohne Widerstand die Oberhand gewinnen, und seinen Gebieter in den Stand setzen würde, Europa diejenige Gestalt zu geben, welche er für die rechte hielte. Und so wäre es denn wohl der Mühe wert, dass von solchen, die nicht die Knechtschaft Europens wollen, sondern seine Freiheit und seine Ruhe, jenen Gedanke Machiavelli’s noch einmal gründlich untersucht, und entschieden, ob derselbe, der damals ohne Zweifel leicht ausführbar gewesen wäre, noch jetzt, nach den Fortschritten, die seitdem die Artillerie genommen, noch ausführbar sei, und auf welche Weise. Nur ist zu wünschen, dass einem solchen, nebst den übrigen oben erwähnten Qualitäten, ganz besonders die nicht abgehe, dass er ohne Vorurteil sei, oder die Kraft habe, ein Vorurteil aufzugeben. Denn ungeachtet wir uns selbst, wie billig, alles Urteils in dieser Sache bescheiden, so erlauben wir uns dennoch, zu bemerken, dass wir anderwärts gewiss wissen, dass es in allen Dingen wunderbare Schreckbilder gebe, vor welchen die Gegenwart durchaus nicht vorbei kommen kann, und über welche die Nachwelt lachen wird, und dass wir, in Absicht des Kriegswesens, des geheimen Verdachts, den wir freilich nicht begründen zu können gestehen, uns nicht erwehren können, dass der Respekt gegen das Schießpulver unter diese wunderbaren Beschränkungen des modernen Denkens und Mutes gehören möge.
Der erwähnten beiden Schriften Resultate legte er in seiner Schrift: der Fürst, dem Lorenzo von Medicis dar. So sagt er selbst in der Zuschrift an diesen: »Ich glaube Euer Magnifizenz kein besseres Geschenk bringen zu können, als indem ich Dieselbe in den Stand setze, in der allerkürzesten Zeit alles dasjenige zu lernen, auf dessen Erlernung ich selbst so viele Jahre, unter so vielen Drangsalen und Gefahren, habe verwenden müssen.« Vieles in diesem Buche ist gleichlautend mit dem, was in den Diskursen gesagt ist; und obwohl nicht Alles, was in diesem Buche enthalten ist, auch in den Diskursen vorkommt, indem das Erstere nach einem anderen Plane verfasst ist, so geht doch Alles hervor aus demselben Geiste; dass es daher ein sehr unglücklicher Einfall des florentinischen Vorredners ist, dem Fürsten die Diskurse entgegen zu setzen, und jenen durch diese bestreiten zu wollen.
Beilagen zu der letztern Schrift sind das Leben des Castruccio Castracani, dessen historische Grundlage sich im zweiten Buche der florentinischen Geschichten unsers Verfassers vorfindet; eine Art von Archontopädie des Machiavelli’schen Fürsten, geschrieben zur Nachahmung des von Machiavelli als Verfassers der Kyropädie sehr geschätzten Xenophon; imgleichen die Erzählung, wie Cesar Borgia den Vitellozzo Vitelli, Oliverotto von Fermo, Herrn Pagolo, und den Herzog von Gravina, Orsini, berückt habe. Beilagen sind es, habe ich gesagt, zu dem Buche vom Fürsten, wie aus dem Texte des letzteren hervorgeht (obwohl der Inhalt der letzteren Schrift auch in einem Amtsberichte vorgekommen sein mag), wie sie denn auch als solche, in den alten Ausgaben mit fortlaufender Seitenzahl jenem beigedruckt sind. Nur den neueren florentinischen Herausgebern, die nun einmal nicht umhin konnten, sich des Machiavelli’schen Fürsten in die Seele seines Verfassers zu schämen, hat es gefallen, diese Dinge durch einander zu werfen und anderwärts einzurücken, damit man auch nicht durch sie auf die wahre Tendenz jenes Buchs gebracht würde, und es ihnen leichter würde, ihren modrigen und übel riechenden Staub dem Leser in die Augen zu werfen.
Alles Genannte ist, wie aus den Schriften selbst hervorgeht, noch unter der Regierung des Papstes Leo geschrieben. Die spätere und letzte seiner großen schriftstellerischen Arbeiten sind die acht Bücher florentinischer Geschichten, endend mit dem Tode Lorenz von Medicis, des Enkels Kosmus. Für die Fortsetzung hatte er vorgearbeitet, und ein Teil dieser Vorarbeiten sind uns durch die neueren Herausgeber, unter dem Titel historischer Fragmente, mitgeteilt worden.
Noch haben wir von ihm gelesen, vier eigene Komödien (darunter eine ganz in Versen); und eine Übersetzung der Andria des Terentius. Unter den ersten ist Clizia freilich eine bloße ziemlich getreue Nachahmung der Casina des Plautus, und auch den übrigen dient Plautus zum Muster. Doch lässt sich insbesondere von der schon oben erwähnten Mandragola rühmen, dass Intrige und Witz eigentümlich und originell sind, was von den wenigsten der übrigen neueren Komiker sich rühmen lässt, welche größtenteils in Nichts zergehen würden, wenn ihnen abgezogen würde, was sie von Terentius, und ganz vorzüglich von Plautus, entlehnt haben; wie denn z.B. des so viel geltenden Moliere’s einzelne Scherze, denen der Unkundige es nimmermehr ansehen würde, z.B. im Amphitruo, dem Geizigen u.s.w. ganz getreu, und, wie es uns scheint, noch witziger gesagt, in den Vorbildern dieser Komödien beim Plautus sich vorfinden. Im Prologus zu dieser Mandragola sagt Machiavelli: »Falls dieser Gegenstand in seiner Geringfügigkeit nicht würdig scheinen sollte eines Mannes, der für ernsthaft und weise gelten will, so entschuldigt ihn damit, dass er durch diese Spiele der Phantasie die trüben Stunden, die er verlebt, aufheitern möchte, indem er eben jetzt nichts Anderes hat, wohin er seine Blicke wende, und es ihm benommen ist, Gaben anderer Art in andern Unternehmungen zu zeigen.« Diese Entschuldigung, die seinen Zeitgenossen und Mitbürgern ohne Zweifel genug tat, tue auch genug der Nachwelt, falls es bei ihr hierüber einer Entschuldigung bedürfen sollte.
Zwei Jahr vor seinem, 1527 in seinem 59sten Lebensjahre, erfolgten Tode, trat er, in mancherlei außerordentlichen Aufträgen, die er erhielt, wieder in die Staatsgeschäfte. Er starb, ungeachtet dieser bedeutenden Aufträge und des Vertrauens, welches zwei hinter einander regierende Päpste auf ihn setzten, und oft benutzten, und ungeachtet des wichtigen Amtes, das er vierzehn Jahre lang in seiner Republik verwaltet hatte, dennoch in der Armut, deren Ehrwürdigkeit er immer als einen ehrenden Charakterzug einer Republik gepriesen hatte; welches nur als Beweis für seine eigene Integrität und Bescheidenheit angeführt wird, keineswegs aber, um seiner Zeit, seinem Vaterlande und seinen Gönnern darüber einen Vorwurf zu machen.

Inwiefern Machiavelli’s Politik auch noch auf unsere Zeiten Anwendung habe


Der Hauptgrundsatz der Machiavelli’schen Politik, und wir setzen ohne Scheu hinzu, auch der unsrigen, und, unsers Erachtens, jeder Staatslehre, die sich selbst versteht, ist enthalten in folgenden Worten Machiavelli’s*): »Jedweder, der eine Republik (oder überhaupt einen Staat) errichtet, und demselben Gesetze gibt, muss voraussetzen, dass alle Menschen bösartig sind, und dass ohne alle Ausnahme sie alsbald ihre innere Bösartigkeit auslassen werden, sobald sie dazu eine sichere Gelegenheit finden.« Es tut hierbei gar nicht Not, dass man sich auf die Frage einlasse, ob denn die Menschen wirklich also beschaffen seien, wie sie in jenem Satze gesetzt werden, oder nicht; kurz und gut, der Staat, als eine Zwangsanstalt, setzt sie notwendig also voraus, und nur diese Voraussetzung begründet das Dasein des Staats. Wollten sie schon das Rechte, so hättest du ihnen höchstens zu sagen, was recht sei; da du dich aber überdies noch durch ein Strafgesetz verwahrst, so setzest du allerdings voraus, dass sie den guten Willen nicht haben, sondern einen bösen, den du erst durch die Furcht des ihnen angedrohten größeren Übels unterdrücken musst, auf dass, wie auch immer innerlich ihr Wille bleiben möge, dennoch das äußere Resultat also ausfalle, als ob Keiner bösen, sondern Alle nur guten Willen hätten. Und so Jemand den guten und gerechten Willen in sich erzeugt, so bricht sich an diesem das Strafgesetz als Antrieb denn auch völlig, indem er das Rechte tun würde, wenn auch kein Gebot und keine Strafe wäre, und falls das Unrechte geboten wäre, es dennoch, jedem Strafgesetz zum Trotz, nicht tun, sondern lieber sterben würde.
Oder, um dasselbe noch in einer anderen Wendung auszusprechen: der Staat, als Zwangsanstalt, setzt den Krieg Aller gegen Alle voraus, und sein Zweck ist, wenigstens die äußere Erscheinung des Friedens hervorzubringen, und, falls auch etwa in dem Herzen der Hass Aller gegen Alle, und die Lust über einander herzufallen, immerfort bliebe, dennoch zu verhindern, dass dieser Hass und diese Lust nicht in Taten ausbreche.
Nun gibt es ferner ein zwiefaches Verhältnis des Regenten, nämlich, das zu seinen Bürgern, und das zu andern Staaten. In Absicht des ersteren gibt es wieder zwei Fälle. Entweder nämlich will das Volk sich die Herrschaft des Gesetzes überhaupt noch nicht gefallen lassen, sondern es strebt unaufhörlich, und ergreift jede Gelegenheit, das Joch abzuschütteln und in die erste Ungebundenheit zurück zu kehren; so ist in diesem Falle Krieg zwischen dem Fürsten selbst und dem Volke, d.h. es ist Krieg zwischen dem Frieden und dem absoluten Kriege; und der Fürst erhält, da ja schlechthin, und ob es dem Volke gefalle oder nicht, Gesetzmäßigkeit und Friede sein soll, in diesem Falle das göttliche Recht des Krieges gegen ein solches Volk, nebst allen Rechten, die in jenem ersten liegen, welche zu erörtern hier nicht Not tut. Oder, welches der zweite Fall ist, das Volk hat sich dem Gesetze bequemt, und sich an die Unterwürfigkeit unter dasselbe sowohl überhaupt, so wie an die Ordnung, wie es in dieser Verfassung sich ausspricht, und sich in Tätigkeit versetzt, gewöhnt, und ob wohl noch immer Einzelne gegen das Gesetz sündigen mögen, so steht doch die Masse nicht mehr auf, um sich der Vollziehung zu widersetzen. In diesem Falle ist Friede zwischen dem Fürsten und dem Volke, und das Volk als Volk ist und bleibt immerfort vollkommen gerecht vor dem Fürsten, indem es den einzelnen Ungerechten von sich ausstößt, und ihn der Ahndung des Gesetzes überlässt.
Machiavelli’s Vorschriften sind berechnet auf ein Land, in welchem zu der Zeit, als er schrieb, noch immer der erste Fall Statt fand; und er weiß dies so gut, dass er nicht vergisst, wiederholt zu erinnern, dass in andern Ländern, wo die Regierungen mehr befestigt seien, z.B. in Deutschland, Spanien, Frankreich, jene Regeln keine Anwendung fänden. In unserm Zeitalter ist, besonders in der Nation, für die ich zunächst schreibe, unter den Deutschen, der zweite Zustand der Dinge schon seit Jahrhunderten eingetreten, die Fürsten sind im Frieden mit den Völkern, und bedürfen in dieser Rücksicht gegen sie keiner Politik, und keines anderen Mittels, sie zu zähmen, als eben des Gesetzes selber: und so ist denn dieser ganze Teil der Lehren des Macchiavelli’s, wie man ein widerstrebendes Volk unter das Joch der Gesetze erst bringen solle, für unser Zeitalter erledigt.
Keineswegs aber ist erledigt der zweite Teil, betreffend das Verhältnis zu andern Staaten; sondern es wird durch die reichen Erfahrungen der drei Jahrhunderte, um welche die seitdem in ganz anderer Kraft und Fülle sich entwickelnde Geschichte älter geworden, imgleichen durch eine tiefere Philosophie, dieser zweite Teil noch verstärkt, und noch weit nachdrücklicher eingeschärft.
Vor jedem Irrtum in der Beurteilung jenes gegenseitigen Verhältnisses der Staaten zu einander wird man völlig gesichert, wenn man auch diesem den oben an die Spitze gestellten Satz zu Grunde legt, und annimmt, dass Jeder jede Gelegenheit ergreifen werde, um dem Andern zu schaden, so oft er seinen eigenen Vorteil dabei zu ersehen glauben wird. Auch hier hat man sich nicht darauf einzulassen, ob die Menschen wirklich also gesinnt sind, oder nicht; davon haben wir nicht geredet, und es gehört nicht hierher. Wir haben nur gesagt: nach dieser Voraussetzung muss man seine Berechnung machen. Denn, da es doch immer wenigstens möglich ist, dass es sich also verhalte, so bist du, wenn du darauf gerechnet hast, und es so kommt, gedeckt, da du, wenn du nicht darauf gerechnet hättest, und es doch käme, bloß ständest und Beute würdest; kommt es aber nicht also, so ist es desto besser für dich, indem du die für den Widerstand bereit gehaltene Kraft auf eine andere Weise zu deinem Vorteile gebrauchen kannst. Es ist um so notwendiger, dass, selbst ohne bei irgend Einem die geringste Bösartigkeit vorauszusetzen, zwischen Staaten es zu diesem Verhältnisse der fortdauernden Kriegslust kommen müsse, da zwischen ihnen niemals, so wie zwischen Bürgern eines geschlossenen und geordneten Staates, gewisses und ausgemachtes Recht Statt finden kann. Zwar lassen sich die Territorialgrenzen abstecken, aber nicht bloß auf dein Territorium geht dein Recht und gründet sich deine Sicherheit, sondern auch auf deine natürlichen Alliierten, und überhaupt auf Alles, wohin du deinen Einfluss erstrecken, und womit du in der Folge dich vergrößern kannst. Überdies will jede Nation das ihr eigentümliche Gute so weit verbreiten, als sie irgend kann, und so viel an ihr liegt, das ganze Menschengeschlecht sich einverleiben, zufolge eines von Gott den Menschen eingepflanzten Triebes, auf welchem die Gemeinschaft der Völker, ihre gegenseitige Reibung an einander, und ihre Fortbildung beruht. Da dieses nun Alle wollen, so geraten sie notwendig, und wenn sie auch Alle durch reine und vollendete Geister regiert würden, in Konflikt, und die Beantwortung der Streitfrage, ob dies dein, oder deines Nachbars natürlicher Alliierter sei, und wo die Grenzen eures euch gebührenden Einflusses gezogen werden sollen, wird selten in der Vernunft eine Prämisse finden.
Es wäre daher noch immer zu wünschen, dass unsere Politiker, also, dass es ihnen von nun an keinen Augenblick mehr aus dem Gesichte käme, und niemals darüber der geringste Zweifel, oder irgend eine Neigung, einmal eine Ausnahme zu gestatten, bei ihnen entstände, sich überzeugten von folgenden zwei Sätzen: 1) der Nachbar, es sei denn, dass er dich als seinen natürlichen Alliierten gegen eine andere euch beiden furchtbare Macht betrachten müsse, ist stets bereit, bei der ersten Gelegenheit, da er es mit Sicherheit können wird, sich auf deine Kosten zu vergrößern. Er muss es tun, wenn er klug ist, und kann es nicht lassen, und wenn er dein Bruder wäre. 2) Es ist gar nicht hinreichend, dass du dein eigentliches Territorium verteidigest, sondern auf Alles, was auf deine Lage Einfluss haben kann, behalte unverrückt die Augen offen, dulde durchaus nicht, dass irgend Etwas innerhalb dieser Grenzen deines Einflusses zu deinem Nachteile verändert werde, und säume keinen Augenblick, wenn du darin Etwas zu deinem Vorteile verändern kannst; denn sei versichert, dass der Andere dasselbe tun wird, sobald er kann, versäumst du es nun an deinem Teile, so bleibst du hinter ihm zurück. Wer nicht zunimmt, der nimmt, wenn Andere zunehmen, ab. Es geht sehr wohl an, dass ein Privatmann sage: ich habe genug, und will nichts mehr: denn dieser kommt durch eine solche Bescheidenheit nicht in die Gefahr, auch das zu verlieren, was er hat, indem er, falls Jemand in seinem alten Besitztume ihn angreifen sollte, den Richter zu finden wissen wird. Der Staat aber, der die ihm sich darbietenden neuen Kräfte zur Verteidigung seines alten Besitztums, sich anzueignen verschmäht, findet, wenn er, und vielleicht mit denselben Kräften, deren Erwerbung er versäumte, in seinem alten Besitztume angegriffen wird, keinen Richter, dem er seine Not klagen könne. Ein Staat, der fortgesetzt diese bescheidene Genügsamkeit übte, müsste entweder durch seine Lage sehr begünstigt, oder eine, wenig Reiz habende, Beute sein, wenn er nicht bald auch um dasjenige kommen sollte, womit er sich bescheiden begnügte, und wenn sich nicht finden sollte, dass die Worte: ich will nichts weiter haben, eigentlich die Bedeutung gehabt hätten: ich will gar nichts haben, und will auch nicht existieren. - Es versteht sich übrigens, dass hier immer von Staaten der ersten Ordnung, die ein selbstständiges Gewicht haben im europäischen Staatensysteme, keineswegs aber von untergeordneten, die Rede sei.
Es fließen hieraus zwei Grundregeln. Die erste - so eben mit dem zweiten Satze zugleich beigebrachte: dass man ohne Zeitverlust jede Gelegenheit ergreife, sich innerhalb der Grenzen seines Einflusses zu verstärken, und jedes innerhalb dieser Grenzen uns drohende Übel sogleich in der Wurzel, und ehe es Zeit hat, heranzuwachsen, ausrotte. Wir werden tiefer unten ein Wort Machiavelli’s, diesen Gegenstand betreffend, anführen, und halten deswegen hier uns nicht länger dabei auf. Die zweite: dass man niemals auf das Wort des Andern sich verlasse, wenn man eine Garantie erzwingen kann; falls dies aber augenblicklich nicht möglich sein sollte, es von nun an sich zum Hauptaugenmerke mache, diese Garantie sich noch zu verschaffen, damit man wenigstens so kurze Zeit als möglich das bloße Wort zum Pfande habe; dass man sich stets in der Lage erhalte, Treue und Glauben erzwingen zu können; welches voraussetzt, dass man sich als den Stärkeren erhalte, nicht gerade absolut, welches nicht allemal von uns abhängt, aber doch innerhalb unserer Grenzen, in der nun sattsam bestimmten weitern Bedeutung des Worts; indem, wer in dieser Rücksicht aufgehört hat der Stärkere zu sein, ohne Zweifel verloren ist; dass man von dieser Bedingung der Garantie durchaus nicht abgehe, und wenn man in den Waffen ist, dieselben auf jede Gefahr nicht ablege, ehe man es dahin gebracht hat. Mutige Verteidigung kann jeden Schaden wieder gut machen, und wenn du fällst, so fällst du wenigstens mit Ehre. Jenes feige Nachgeben aber rettet dich nicht vom Untergange, sondern es gibt dir nur eine kurze Frist schmählicher und ehrloser Existenz, bis du von selbst abfällst, wie eine überreife Frucht. Aus solchem Betragen entstehen jene ehrenvollen Frieden, die nicht einmal den Frieden geben, indem sie dem Feinde die völlige Gewalt lassen, unmittelbar nach geschlossenem Frieden seine Pläne da fortzusetzen, wo er sie vor dem Kriege, der ihm einen Augenblick Stillstand gebot, fallen ließ, und zufolge dessen wir zwar ihn zufrieden lassen müssen, aber Er nicht uns. Daher denn auch diese, die es mit solchen Gegnern zu tun haben, mit voller Wahrhaftigkeit ihre Friedensliebe rühmen können, da ihnen in der Trat zu glauben ist, dass sie es lieber haben, wenn die Nachbarn der Beraubung ihrer natürlichen, vielleicht angeborenen und blutsverwandten Alliierten, und der Ausrottung ihres Einflusses bis an ihre Territorialgrenzen heran, ruhig zusehen, und sie machen lassen, als wenn sie mit den Waffen in der Hand sich dagegen setzen; indem die erste Weise weit leichter ist, und weit sicherer, als die zweite. Sie lieben in der Trat den Frieden, den ihrigen nämlich, und sie wünschen wirklich keinen Widerstand zu finden, indes sie gegen alle Welt den Krieg führen, fortsetzen und vollenden.
Man glaube nicht, dass, wenn alle Fürsten so dächten, und nach den aufgestellten Regeln handelten, der Kriege in Europa kein Ende sein würde. Vielmehr wird, da keiner den Krieg anzufangen gedenkt, wenn er es nicht mit Vorteil kann, Alle aber stets gespannt und aufmerksam sind, Keinem irgend einen Vorteil zu lassen, ein Schwert das andere in Ruhe erhalten, und es wird ein langwieriger Friede erfolgen, der nur durch zufällige Ereignisse, als da sind, Revolutionen, Sukzessionsstreitigkeiten u.dgl., unterbrochen werden könnte. - Mehr als die Hälfte der Kriege, welche geführt worden, sind durch große Staatsfehler der Angegriffenen, welche dem Angreifer die Hoffnung eines glücklichen Erfolges gaben, entstanden, und sie wären unterblieben, wenn jene Staatsfehler unterblieben wären. Und da gleichwohl die Kriegsübung nicht ausgehen darf, wenn die Menschheit nicht erschlaffen, und für den späterhin doch wieder möglichen Krieg verderben soll, so haben wir ja noch selbst in Europa, noch mehr aber in den anderen Weltteilen, Barbaren genug, welche doch über kurz oder lang, mit Zwang dem Reiche der Kultur werden einverleibt werden müssen. In Kämpfen mit diesen stähle sich die europäische Jugend, indes in dem gemeinsamen Vaterlande selbst Keiner es wagt, das Schwert zu entblößen, da er allenthalben sich gegenüber eben so gute Schwerter erblickt.
Diese Regeln werden durch die höhere Ansicht des Verhältnisses des Fürsten zu seinem Volke und zu der gesamten Menschheit, aus dem Standpunkte der Vernunft, bestätigt, verstärkt, und zur heiligen Pflicht gemacht. Die Völker sind ja nicht ein Eigentum des Fürsten, so dass er deren Wohl, deren Selbstständigkeit, deren Würde, deren Bestimmung in einem Ganzen des Menschengeschlechts, als seine Privatsache betrachten, und fehlen könne nach Belieben, und wenn es schlecht geht, sagen könne: nun, ich habe geirrt, aber was ist’s denn weiter? der Schade ist mein und ich will ihn tragen; so wie etwa der Besitzer einer Herde, durch dessen Nachlässigkeit ein Teil derselben zu Grunde gegangen wäre, sich trösten könnte. Der Fürst gehört seiner Nation eben so ganz und vollständig an, als sie ihm angehört; ihre ganze Bestimmung im ewigen Rate der Gottheit ist in seine Hände niedergelegt, und er ist dafür verantwortlich. Es ist ihm durchaus nicht erlaubt, nach Willkür von den ewigen Regeln, die Verstand und Vernunft der Verwaltung der Staaten geben, abzugehen. Es ist ihm nicht erlaubt, wenn er z.B. die zweite so eben angeführte Regel zum Schaden seiner Nation vernachlässigt hätte, hinzutreten, und zu sagen: Ich habe an Menschheit, ich habe an Treue und Redlichkeit geglaubt. So mag der Privatmann sagen; geht er darüber zu Grunde, so geht er sich zu Grunde: aber so kann der Fürst nicht sagen, denn dieser geht nicht sich, und geht nicht allein zu Grunde. Glaube er, wenn er will, an Menschheit in seinen Privatangelegenheiten, irrt er sich, so ist der Schade sein; aber er wage nicht, auf diesen Glauben hin, die Nation, denn es ist nicht recht, dass diese, und mit ihr vielleicht andere Völker, und mit ihnen vielleicht die edelsten Besitztümer, welche die Menschheit in tausendjährigem Ringen erworben hat, in den Kot getreten werden, bloß, damit von ihm gesagt werden könne, er habe an Menschen geglaubt. An die allgemeinen Gesetze der Moral ist der Fürst in seinem Privatleben gebunden, so wie der Geringste seiner Untertanen; in dem Verhältnisse zu seinem friedlichen Volke ist er an das Gesetz und an das Recht gebunden, und darf Keinen anders behandeln, als nach dem stehenden Gesetze, wiewohl ihm das Recht der Gesetzgebung, d.i. der fortgesetzten Vervollkommnung des gesetzmäßigen Zustandes bleibt; in seinem Verhältnisse aber zu andern Staaten gibt es weder Gesetz noch Recht, außer dem Rechte der Stärkeren, und dieses Verhältnis legt die göttlichen Majestätsrechte des Schicksals und der Weltregierung, auf die Verantwortung des Fürsten, nieder in seine Hände, und erhebt ihn über die Gebote der individuellen Moral in eine höhere sittliche Ordnung, deren materieller Inhalt enthalten ist in den Worten: Salus et decus populi suprema lex esto.
Diese ernstere und kräftigere Ansicht der Regierungskunst tut es nun, unsers Erachtens, Not bei unserm Zeitalter zu erneuern. Die jedesmal herrschende Zeitphilosophie ermangelt, so sehr auch die Weltleute sich gegen die Sache sträuben, und so schwer sie an das Bekenntnis derselben gehen, dennoch niemals, auf irgend einem Wege auch an diese zu kommen, und auch sie umzuschaffen nach ihrem Bilde. Diese Zeitphilosophie war in der letzten Hälfte des abgelaufenen Jahrhunderts gar flach, kränklich und armselig geworden, darbietend als ihr höchstes Gut eine gewisse Humanität, Liberalität und Popularität, flehend, dass man | nur gut sein möge, und dann auch Alles gut sein lassen, überall empfehlend die goldene Mittelstraße, d.h. die Verschmelzung aller Gegensätze zu einem dumpfen Chaos, Feind jedes Ernstes, jeder Konsequenz, jedes Enthusiasmus, jedes großen Gedankens und Entschlusses, und überhaupt jedweder Erscheinung, welche über die lange und breite Oberfläche um ein Weniges hervorragte, ganz besonders aber verliebt in den ewigen Frieden. Sie hat ihren entnervenden Einfluss recht merklich auch an die Höfe und in die Kabinette verbreitet. - Seit der französischen Revolution sind die Lehren vom Menschenrechte und von der Freiheit und ursprünglichen Gleichheit Aller, - zwar die ewigen und unerschütterlichen Grundfesten aller gesellschaftlichen Ordnung, gegen welche durchaus kein Staat verstoßen darf, mit deren alleiniger Erfassung aber man einen Staat weder errichten, noch verwalten kann, - auch von Einigen der Unsern, in der Hitze des Streites, mit einem zu großen Akzente, und als ob sie in der Staatskunst noch weiter führten, als sie es wirklich tun, behandelt, und manches Andere, was dahin auch noch gehört, übergangen worden, welche Übertreibung gleichfalls nicht ohne allen störenden Einfluss geblieben. Nun hat man zwar nicht ermangelt, später das Fehlende in mancherlei Formen nachzuholen; aber es scheint, dass diese Schriften, als Schulübungen und Fakultätenware, und als nicht würdig von den Händen der Weltleute berührt zu werden, liegen geblieben. So mag denn nun Einer, der nicht unbekannt ist und nicht unberüchtigt, von den Toten aufstehen, und sie des Rechten bedeuten!

*) Diskurse. Bd.I. Kap.3.

A continuidade do livro pode ser encontrada no site : http://www.textlog.de/9389.html

Nenhum comentário: